Veranstaltung: | 37. ORDENTLICHE LANDESDELEGIERTENKONFERENZ BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN BRANDENBURG, 16.04.2016, Wittenberge |
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Tagesordnungspunkt: | 2. Anträge |
Antragsteller*in: | Landesvorstand (dort beschlossen am: 14.03.2016) |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 18.03.2016, 10:16 |
V2: Elbepolitik - endlich umsteuern! Brandenburg muss klare Positionen zum Schutz der Elbe und dem damit verbundenen Hochwasserschutz vertreten.
Antragstext
Wir Brandenburger Bündnisgrüne stehen an der Seite der Umweltverbände und
Bürgerinitiativen, die sich dem Schutz dieses freifließenden Flusses
verantwortlich fühlen. Der Elbe wieder mehr Raum zu geben und ihre natürlichen
Besonderheiten anzuerkennen, halten wir für ein Gebot der Vernunft.
Eine naturnahe Elbe ist identitätsstiftend für die Region entlang des Flusses
An der Elbe gehen Natur- und Kulturerbe eine einzigartige Verbindung ein. Hier
sehen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Brandenburg Potential – auch wirtschaftliches, das
weiter entwickelt werden muss. Ein schon etablierter Baustein ist der
Elberadwegtourismus.
Dem entgegen steht eine dauerhafte Unterhaltung der Elbe als Wasserstraße mit
der Klasse V a oberhalb und VI b unterhalb von Wittenberge, auch wenn – wie vom
Bundesministeriumverkehrs-ministerium offiziell festgestellt – für diese Klassen
der geforderte Tiefgang nicht erreicht wird bzw. wasserstandsabhängig ist.
Die Befestigungsmaßnahmen an den Ufern und die Einbringung von Buhnen führen zu
einer stärkeren Strömung und zu einer fortschreitenden Erosion des Flussbetts.
Als Folge der wasserbaulichen Eingriffe in den Fluss trocknet die Flussaue aus,
und wertvolle Feuchtwiesen gehen verloren. Der Wasserhaushalt im
Elbeeinzugsgebiet ist bereits unter heutigen Klimabedingungen angespannt, d. h.
in vielen Regionen übersteigt die potenzielle Verdunstung das
Niederschlagsdargebot.
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN setzen auf innovative Konzepte statt sinnlosem Flussverbau
Bei Niedrigwasser werden die meisten Güter schon jetzt auf die Bahn verladen
oder gehen über den Elbe-Seitenkanal, der eine gesicherte Tiefe von 4 Metern
bietet.
Trotz eines Ausbaustopps, den maßgeblich BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf der
Bundesebene nach dem Jahrhunderthochwasser 2002 durchgesetzt haben, wird an der
Elbe seit über10 Jahren kontinuierlich gebaut, um eine nahezu ganzjährige
Fahrtiefe von 1,60 Meter zwischen Geesthacht und Dresden herzustellen, die eine
planbare Güterschifffahrt ermöglichen soll. Dieses Vorhaben ist fundamental
gescheitert.
2015 lag die Schifffahrt auf der Elbe für 6 Monate total am Boden. Die Tiefe der
Fahrrinne lag unter 1,00 Meter und Transporte schrumpften auf ein historisches
Minimum.
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Brandenburg halten die gegenwärtig verstärkt
thematisierten, intensiven Forderungen über Ausbaupläne der Elbe für ein völlig
verheerendes Signal. Wir nennen die Forderungen für eine ganzjährige
Schiffbarkeit der Elbe verantwortungslos!
Eine ganzjährige Schiffbarkeit der Elbe kann für Frachtschiffe nicht
gewährleistet und vor allem auch nicht hergestellt werden. Wir wehren uns
dagegen, dass immer wieder suggeriert wird, dass dies durch einen Elbeausbau
möglich sei.
Der Europäische Rechnungshof kommt in seinem Sonderbericht vom März 2015[1]
ebenfalls zu der Erkenntnis, dass die von der EU geförderten Maßnahmen zur
Verbesserung der Binnenschifffahrt als Alternative zu LKW und Verbesserung der
Schiffbarkeit nur geringe Fortschritte bewirkt haben.
Hier ist in der Perspektive auch die Landesregierung Brandenburg gefordert, die
großzügigen Fördermaßnahmen einzelner Binnenhäfen genau auf ihre Wirksamkeit hin
zu überprüfen.
Die Schifffahrt muss sich der Elbe anpassen und eine intelligente
Verkehrslogistik bei Niedrigwasser zum Einsatz kommen
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Brandenburg setzen sich für eine längst überfällige
Verschiebung der Prioritäten im Umgang mit der Elbe ein. Die Entwicklung der
Elbe als frei fließender, naturnaher Fluss mit intakter Aue ist nicht nur
vorrangig, sondern auch gesetzlich vorgeschrieben, um die Ziele der Umwelt- und
Naturschutzgesetzgebung zu erreichen (EU Natura 2000-Richtlinien) und um den
geforderten guten ökologischen Zustand (EU Wasserrahmen-Richtlinie)
herzustellen.
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Brandenburg wollen Synergieeffekte des ökologischen
Hochwasserschutzes und der Auenrenaturierung nutzen und vorantreiben.
Die Deichrückverlegung bei Lenzen hat sich während des Hochwassers 2013 bewährt.
Um einen halben Meter wurde der Hochwasserscheitel laut der Bundesanstalt für
Gewässerkunde gesenkt. Eine Absenkung war bis in das 25 Kilometer entfernte
Wittenberge messbar. Gleichzeitig ist eine artenreiche Auenlandschaft wieder
aktiviert worden, die Wasser aufnehmen, verdunsten und versickern lassen kann
und damit ebenfalls zur Senkung der Wasserstände beiträgt.
Die Eintiefung der Flusssohle muss gestoppt werden
Dazu wollen wir Brandenburger Bündnisgrüne die Prioritäten im Flussmanagement
verschieben.
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN setzen sich dafür ein, dass erste Pilotprojekte zum Stopp
der Eintiefung umgesetzt werden, was einen (ggf. auch partiellen) Rückbau von
Buhnen einschließt.
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Brandenburg setzen sich dafür ein, dass auch die
Landesregierung Brandenburg darauf hinwirkt, einen endgültigen Schlussstrich
unter die Forderungen der ganzjährigen Fahrrinnentiefe von 1,60 Meter zu ziehen.
Die Elbe bleibt ein Fluss mit starken Schwankungen zwischen Niedrigwasserständen
und Hochwasserereignissen.
Die ständigen Verzögerungen bei der öffentlichen Darstellung zum Gesamtkonzept
Elbe sind nicht länger hinnehmbar
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Brandenburg sehen in der Entwicklung eines Gesamtkonzepts
für die Elbe die Chance, einen nachhaltigen Umgang mit dem Fluss zu gestalten.
[1] Europäischer Rechnungshof (2015): Die Binnenschifffahrt in Europa: Keine
signifikanten Verbesserungen in Bezug auf Verkehrsträgeranteil und
Schiffbarkeitsbedingungen seit 2001, Sonderbericht Nr. 01/2015.
Begründung
Die Elbe besitzt einen besonders hohen naturschutzfachlichen Wert. Die Mittel- und Oberelbe - sie reicht definitionsgemäß über 600 Kilometer von der D/CS-Grenze bis kurz vor Geesthacht - ist freifließend und ungestaut.
Seit Mitte der 1990er Jahre werden die Buhnen und Uferbefestigungen intensiv verstärkt und damit der Fluss schleichend, als Unterhaltungsmaßnahme getarnt, nach und nach ausgebaut. Trotzdem werden nur 0,2 % aller über bundesdeutsche Wasserstraßen verschifften Güter über die Elbe transportiert. Zum Vergleich: 80 % der Güter gehen über den Rhein, den Rest teilen sich Kanäle und voll ausgebaute – zumeist gestaute – Flüsse. Die Transporte auf der Elbe sind seit Jahren stark rückläufig. Die anvisierte Verkehrsverlagerung von der Straße auf den Wasserweg findet nicht statt.
Grund für die geringe Nutzung der Elbe als Wasserstraße sind die lang anhaltenden extremen und nicht vorhersagbaren Niedrigwasserphasen, die keine planbaren Transporte zulassen. 2015 wurde es sehr deutlich: Von Mai bis Oktober herrschten Fahrtiefen von unter einem Meter, die noch nicht mal Leerfahrten ermöglichen. Diese Situation ist nicht lösbar. Rentabler Transport von Massen- und Schüttgütern beginnt bei 2,00 - 2,50 Metern.
Der geplante Saale-Kanal, auf dem voll beladene Europaschiffe verkehren könnten, hätte nur über die Elbe Anschluss an das Wasserstraßennetz. Wenn auf der Elbe die Schifffahrt nicht planbar ist, dann ergibt der Neubau des Saale-Kanals keinen Sinn.
Die Wasserstraßen Elbe und Saale verursachen hohe Kosten: ca. 1 Mrd. Euro wurden für den Betrieb der Wasserstraßen und den Ausbau der Häfen an den beiden Flüssen seit Anfang der 1990er Jahre ausgegeben. Die Folgekosten der kontinuierlichen Einengung und Befestigung des Flusses, die bedrohliche Eintiefung der Flusssohle, sind darin nicht enthalten. Durch die Erosion der Flusssohle sinkt der Flusswasserspiegel. In der Folge fällt auch der Grundwasserspiegel in der angrenzenden Aue. Die Aue trocknet immer mehr aus. Feuchtlebensräume und die dort heimische typische Tier- und Pflanzenarten verschwinden sukzessive. In der Konsequenz sind nicht nur das UNESCO-Welterbe Dessau-Wörlitzer Gartenreich in Sachsen-Anhalt sondern auch das länderübergreifende UNESCO-Biosphärenreservat Flusslandschaft Elbe mittelfristig von Austrocknung bedroht.
Die Verhältnisse im oberen Einzugsgebiet der Elbe können sich maßgeblich auf die Situation der Unterlieger auswirken und umgekehrt. Sowohl Hochwasserereignisse als auch die Biologische Vielfalt kennen keine Ländergrenzen. Im Hochwasserschutz werden ca. 90 % der Mittel für den technischen Maßnahmen wie Deichbau ausgegeben. Nachhaltiger ökologischer Hochwasserschutz wird nur schleppend vorangetrieben. Doch Maßnahmen, wie die Rückverlegung der Deiche, führen zur Schaffung von Retentionsflächen, die den Abfluss bei Hochwasser verzögern und die Hochwasserspitzen substantiell absenken. Natürliche Auengehölze gehören zu einem Fluss wie der Elbe. Diese Gehölze jedoch dauerhaft zurückzudrängen, ist aus unserer Sicht ein Irrweg. Dabei wird die große Bedeutung der artenreichen Auen für den Erhalt und die Entwicklung der biologischen Vielfalt missachtet. Auengehölze bis hin zu Auenwäldern müssen deshalb eher ausgedehnt werden. Abholzungen an Auengehölzen werden von uns klar abgelehnt.
[1] Europäischer Rechnungshof (2015): Die Binnenschifffahrt in Europa: Keine signifikanten Verbesserungen in Bezug auf Verkehrsträgeranteil und Schiffbarkeitsbedingungen seit 2001, Sonderbericht Nr. 01/2015.
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