Veranstaltung: | 37. ORDENTLICHE LANDESDELEGIERTENKONFERENZ BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN BRANDENBURG, 16.04.2016, Wittenberge |
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Tagesordnungspunkt: | 2. Anträge |
Antragsteller*in: | LAG Demokratie und Recht (dort beschlossen am: 18.03.2016) |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 19.03.2016, 10:27 |
V9: Für mehr Autonomie und Mitbestimmung in der Brandenburger Justiz
Antragstext
Bündnis 90/Die Grünen wollen die derzeit laufende Evaluation des
Brandenburgischen Richtergesetzes (BbgRiG) nutzen, um die richterliche
Selbstverwaltung und damit die verfassungsrechtlich garantierte Unabhängigkeit
der Justiz zu stärken. Dazu fordern wir:
1. Mehr Mitbestimmungsrechte
Der Richterrat, die Personalvertretung der Richterinnen und Richter, soll eine
vorbehaltlose, uneingeschränkte Mitbestimmung bei allen personellen, sozialen,
organisatorischen und sonstigen innerdienstlichen Maßnahmen erhalten (§§ 41- 42
Bbg RiG). Dabei kann das schleswig-holsteinische Gesetz Modell stehen.
2. Eine echte Wahl im Richterwahlausschuss
Bei der Ernennung, Versetzung und Beförderung von Richterinnen und Richtern
entscheidet der zuständige Richterwahlausschuss bisher in der Praxis lediglich
über einen Vorschlag des Justizministeriums. Er sollte die Möglichkeit haben,
eine echte Auswahlentscheidung zwischen mehreren, gleich geeigneten Bewerbungen
treffen zu können. Auch hier bietet sich die Vorschrift aus Schleswig Holstein
als Modell an. Danach soll der Personalvorschlag des Ministeriums drei
Bewerberinnen und Bewerber enthalten und mindestens eine Frau berücksichtigen.
3. Beteiligung auch im Streitfall
Kommt es zu einem Konflikt zwischen Ministerium und Richterrat, entscheidet nach
der aktuellen Regelung im Richtergesetz das Ministerium als oberste
Dienstbehörde endgültig. Die Projektgruppe „Richterliche Selbstverwaltung“ des
Ministeriums hatte 2010 bereits vorgeschlagen, für diese Fälle ein
Einigungsverfahren einzuführen, um so die Rechte der Richterinnen und Richter zu
stärken. Dies unterstützen wir ausdrücklich.
4. Evaluation des Richtergesetzes auch in Zukunft alle fünf Jahre
Der laufende Diskurs über das Richtergesetz und eine autonome Justiz haben
umfangreiche Stellungnahmen und wertvolle Erkenntnisse hervorgebracht. Die
Online-Befragung und die Diskussion mit den Richterinnen, Richtern,
Staatsanwältinnen und Staatsanwälten waren sinnvoll und fruchtbar. Dies sollte
unbedingt fortgeführt werden, wir fordern eine regelmäßige Evaluation im Abstand
von 5 Jahren und einen weiteren Diskurs über die Frage der Autonomie der Justiz.
Begründung
Für uns Bündnisgrüne gibt es gleich zwei gute Gründe, eine gute Überarbeitung des Richtergesetzes zu fordern:
1. Wir wollen die Unabhängigkeit der Justiz vom Justizministerium stärken, sie ist der Kern der Rechtsstaatlichkeit. Schon 2010 hat sich die in Brandenburg eingerichtete Projektgruppe „Richterliche Selbstverwaltung“ für mehr Autonomie der Justiz ausgesprochen. Nun liegen erneut sinnvolle und konkrete Vorschläge für eine organisatorische Stärkung dieser Unabhängigkeit vor, die natürlich nur einen Teilbereich umfassen. Wir Bündnisgrüne werden auch weiterhin den Diskurs vorantreiben und die Regierung zu Taten drängen.
2. Das Beispiel könnte demokratisch Schule machen: Wir selbst haben in unserem Landtagswahlprogramm 2014 gefordert: „Wir wollen, dass Gesetze und Verordnungen regelmäßig darauf geprüft werden, ob sie noch in die Zeit passen und erforderlich sind. Damit können wir unser Landesrecht für alle verständlicher machen, Bürokratie abbauen und die Gerichte entlasten. Wir wollen, dass das Land hierfür einen Vorschlag zur Umsetzung von Verfallsdaten und Berichtspflichten für Rechtsvorschriften erarbeitet.“
Das Brandenburgische Richtergesetz (BbgRiG), welches für alle Richterinnen und Richter sowie Staatsanwältinnen und Staatsanwälte neben Personalfragen auch und vor allem ihre Mitwirkungsrechte und Vertretungsfragen regelt, sieht nun als eines von nur wenigen Gesetzen in Brandenburg eine solche Evaluation vor. Es muss vom Landtag bis zum 30.April 2016 überprüft werden, und in der Zwischenzeit ist „ein öffentlich zu führender Diskurs über die Frage der Selbstverwaltung oder einer Autonomie der Justiz sowie ihre Überlegungen zu einer weiteren Reform des Richterdienstrechts zu führen.“
Eigentlich also ein Paradebeispiel. Und in der Tat wurden – allerdings erst sehr spät und auch auf Druck der Richterinnen und Richter sowie uns Grünen alle Richterinnen und Richter sowie Staatsanwältinnen und Staatsanwälte befragt, zudem führte der Rechtsausschuss eine Anhörung durch. Dabei gab es auch eine erfreulich hohe Zahl an konkreten Verbesserungsvorschlägen.
Das Richtergesetz könnte ein also wegweisend für die Erstellung und Überarbeitung von Gesetzen sein. Was hierfür noch fehlt: Die Landesregierung lässt den Prozess bisher auf Sparflamme laufen, außerdem drohen wichtige Reformvorschläge kein Gehör zu finden. Wir wollen Druck machen, damit die Evaluation des Richtergesetzes ein Vorbild wird für die Art der Gesetzgebung im 21. Jahrhundert.
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