Veranstaltung: | 37. ORDENTLICHE LANDESDELEGIERTENKONFERENZ BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN BRANDENBURG, 16.04.2016, Wittenberge |
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Tagesordnungspunkt: | 0. Tagesordnung |
Antragsteller*in: | Landesvorstand (dort beschlossen am: 15.04.2016) |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 15.04.2016, 17:29 |
D 2 (R 1): Mehr Mut zum Miteinander! Mehr für die Aufnahme und die Integration der Geflüchteten in Brandenburg tun!
Antragstext
Täglich erreichen uns Bilder von den katastrophalen Bedingungen der Menschen auf
der Flucht. Seit die Balkanroute dicht ist, bewegen uns besonders die Bilder aus
Idomeni. Hier sind mehr als Zehntausend Geflüchtete aus Syrien, Irak,
Afghanistan und anderen Ländern, darunter vierzig Prozent Kinder, gestrandet.
Der Brandenburger AFD-Vorsitzende Alexander Gauland und Bundesinnenminister
Thomas de Maizière fordern, wegzuschauen, „sich nicht von Kinderaugen erpressen
zu lassen“ oder „harte Bilder auszuhalten“. Manche freuen sich über die
gesunkene Zahl an Geflüchteten in Deutschland, aber klar ist auch: Die
Flüchtlingszahlen sind nicht zurückgegangen, es kommen lediglich weniger in
Deutschland an! Das ist Politik nach der Maßgabe „Aus den Augen - aus dem
Sinn!“. Wir meinen dagegen: Da können und wollen wir nicht wegschauen!
In Brandenburg ist die Belegungsquote der Unterkünfte inzwischen deutlich unter
50% gesunken. Wir haben also die Kapazitäten, einen Teil der Menschen aus
Idomeni aufzunehmen. Dabei muss die Landesregierung auch nicht auf die
Bundesregierung warten. Über ein Landesaufnahmekontingent sollte Brandenburg
besonders Schutzbedürftige Menschen aufnehmen, ähnlich wie Baden-Württemberg das
mit Blick auf Jesidinnen getan hat. Ebenso fordern wir, dass Engagement von
BrandenburgerInnen, die SyrerInnen im Rahmen einer Verpflichtungserklärung zu
uns in Sicherheit bringen, dadurch zu unterstützen, dass diese Bürgschaft mit
Erhalt des Aufenthaltsstatus oder zumindest wie in Thüringen nach fünf Jahren
erlischt. Wir sehen in der Aufnahme und Integration von Geflüchteten nicht
vorrangig Risiken, sondern auch Chancen für Brandenburg und Deutschland.
Der gerade am EU-Parlament vorbei geschlossene Deal mit der Türkei hebelt die
Genfer Flüchtlingskonvention aus und muss sofort ausgesetzt werden. Nach diesem
zynischen Deal gibt es nur eine legale Einreise für Geflüchtete, wenn es vorher
andere irregulär mit Schlauchbooten versucht haben, aufgegriffen wurden und im
Austausch wieder abgeschoben werden. In Griechenland werden Menschen, die gerade
Terror und Krieg entkommen sind, unter katastrophalen Bedingungen in den nun
umfunktionierten sogenannten „Hot Spots“ ohne Rechtsschutz eingesperrt. Diese
Abschiebelager widersprechen dem internationalen Flüchtlingsschutz und
europäischen Grundrechten.
Für die Aufnahme der Flüchtlinge sind alle europäischen Länder verantwortlich.
Wir Bündnisgrüne wehren uns entschieden gegen die Errichtung einer „Festung
Europa“ und treten für eine gerechte Verteilung innerhalb Europas ein. Solange
diese aber nicht erreicht ist, sind wir auch bereit, einseitig Schutzsuchende
bei uns aufzunehmen. Eine geplante Reform des Europäischen Asylrechts darf nicht
zu einer Absenkung der Standards nach unten führen.
Wir Brandenburger Bündnisgrüne stehen auch der Aufnahme von Geflüchteten aus
Berlin offen gegenüber. Dabei wollen wir im Gegensatz zur Landesregierung auch
anerkannte Asylbewerber*innen und Flüchtlinge mit Bleibeperspektive aufnehmen
und in unseren Kommunen dauerhaft ansiedeln.
Die Aufgabe, die Geflüchteten in unser Land zu integrieren, ist eine
gesamtgesellschaftliche Aufgabe von hoher Relevanz. Das gerade im Landtag
verabschiedete Landesaufnahmegesetz regelt nur die Erstaufnahme bis zur
Anerkennung der Geflüchteten und bleibt weit hinter unseren Erwartungen zurück.
Ungelöst bleiben daher bis heute viele Probleme nach dem Übergang der
anerkannten Asylbewerber*innen und Flüchtlinge aus dem Regelkreis des
Asylbewerberleistungsgesetzes in das SGB II. Wir fordern ein
„Willkommensinfrastrukturgesetz“, in dem es um mehr geht, als den Geflüchteten
ein notdürftiges Dach über dem Kopf anzubieten. Eine partizipative Gesellschaft
respektiert nicht nur die Bedürfnisse von Geflüchteten oder Asylbewerber*innen
mit Bleibeperspektive. Über diese wird oft erst nach jahrelangen Verfahren
entschieden. Deswegen wollen wir Chancen für alle schaffen, und uns dabei am
persönlichen Bedarf der Menschen mit Migrationshintergrund und ihrem rechtlichen
Status orientieren. Es geht um Betreuungs- und unabhängige Beratungsangebote, es
geht um Gewährleistung von Kita- und Schulplätzen, es geht um die Ausweitung der
Schulpflicht über das 16. Lebensjahr hinaus um jungen Flüchtlingen den
nachträglichen Erwerb von Schulabschlüssen zu ermöglichen, es geht um
qualifizierte Deutschkurse und die vereinfachte Anerkennung von
Berufsabschlüssen, es geht um Modulare Aus- und Weiterbildungsangebote, es geht
darum die Kommunen von den Kosten der Unterbringung weitestgehend zu entlasten
und nicht zuletzt die Absicherung von zivilgesellschaftlichen
Willkommensinitiativen.
Die Gründung des „Bündnis für Brandenburg“ haben wir von Anfang an unterstützt.
Doch es braucht mehr als bloße Symbolik. Die engagierte Arbeit gegen Rechts von
„Tolerantes Brandenburg“ ist in diesen Zeiten wichtiger denn je und darf durch
die Zusammenlegung mit dem Bündnis keinesfalls eingeschränkt werden.
Wir fordern: Brandenburg muss mehr für die Aufnahme und Integration tun.
Wir fordern: Mehr Mut zum Miteinander!
Begründung
Erfolgt mündlich
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