Veranstaltung: | 37. ORDENTLICHE LANDESDELEGIERTENKONFERENZ BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN BRANDENBURG, 16.04.2016, Wittenberge |
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Tagesordnungspunkt: | 2. Anträge |
Antragsteller*in: | KV Brandenburg a.d.H (dort beschlossen am: 01.03.2016) |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 18.03.2016, 18:44 |
V8: Gestaltungsbeiräte für die Städte und Gemeinden im Land Brandenburg
Antragstext
Eine gute zeitgemäße, städtebauliche, architektonische und
landschaftsplanerische Entwicklung stärkt die Ortsidentität, hilft, ein modernes
Heimatgefühl zu etablieren und wirkt sich positiv auf die gesamte Lebensqualität
einer Stadt oder eines Dorfes aus. Wesentlich für eine solche nachhaltige
Entwicklung unserer Städte und Dörfer ist eine gute Baukultur mit Beteiligung
und Teilhabe an den Planungsprozessen. Aber nicht immer nehmen private wie
öffentliche Bauherren diesen ganzheitlichen, am Wohle der Gemeinschaft
orientierten Blick ein – sei es, dass sie andere Prioritäten setzen – sei es,
dass es ihnen an Fachkompetenz mangelt oder an Ideen fehlt.
Klimaschonende, nachhaltige und schöne Gebäude brauchen ebenso wie lebenswerte
Städte und Dörfer gute Planung von interessierten Bauherren. Viele Kommunen
können die hierfür erforderliche Beratung oft nicht leisten. Unabhängige
Gestaltungsbeiräte können hier helfen. Sie beraten Bauherren, Planer*innen,
Stadtverordneten-versammlungen, Gemeindevertretungen und Verwaltungen
individuell zu einzelnen Vorhaben wie z.B. einem Bebauungsplan, einer neuen
KiTa, einer Straßensanierung oder einem umstrittenen privaten Bauvorhaben. Sie
bringen externen Sachverstand, hilfreiche Sichtweisen und Anregungen für alle
Beteiligten in die öffentliche Diskussion ein.
Mit Hilfe von Gestaltungsbeiräten wird die Kommunalpolitik mit den fachlichen
Aspekten der Architektur, des Hoch- und Tiefbaus sowie der Stadt- und
Landschaftsplanung verknüpft und konstruktiv in die Planungen und den
Planungsdiskurs einbezogen. Durch die öffentliche Tagung der Gestaltungsräte bei
Vorhaben öffentlicher Bauherren wird die Bürgerbeteiligung gestärkt. Der „Blick
von außen“ im Sinne einer unabhängigen Beratung und Bewertung kann darüberhinaus
wichtige Impulse geben und Auswege aus gelegentlich festgefahrenen Diskursen
weisen. Dies hat Vorbildwirkung für private Bauherren. Ziel ist es, die
Individualität unserer Dörfer und Städte zu bewahren und ihr baulich-räumliches
Erscheinungsbild positiv weiterzuentwickeln.
Unsere Forderungen und Empfehlungen:
Wir fordern die Möglichkeit der Einrichtung und Förderung von externen
Gestaltungs-beiräten für die Städte und Dörfer Brandenburgs. Aufgabe der
Gestaltungsbeiräte ist es, die Stadtverordnetenversammlungen,
Gemeindevertretungen und die Verwaltungen bei ihren Entscheidungen und
Beschlüssen in Fragen der Stadtentwicklung (Stadtplanung, Architektur,
Verkehrskonzepte, Freiraumplanung) zu beraten.
Die Städte und Gemeinden sollen auf Grundlage eines Grundsatzbeschlusses der
jeweiligen Gemeindevertretung oder Stadtverordnetenversammlung die Möglichkeit
erhalten, für ausgewählte Vorhaben geeignete Fachkräfte anzufordern. Es wird
empfohlen, dass die kommunalen Parlamente bzw. deren Ausschüsse für
Stadtentwicklung, Bauen und Verkehr mit ihren Verwaltungen eine Vereinbarung
über Abläufe und Befugnisse im Beratungsprozess treffen. Hierzu soll das Land
die Kommunen in geeigneter Weise unterstützen. Daneben sollen auch
Planungswettbewerbe stärker gefördert werden.
Diese externen Gestaltungsbeiräte, bestehend aus 3-5 Fachleuten, tagen nach
einem internen Vorgespräch öffentlich und unter Beteiligung der Öffentlichkeit.
Je nach Umfang und Bedeutung der Vorhaben können pro Tag 2-4 Planungen behandelt
werden. Die Auswahl der Beiräte erfolgt durch die kommunalen Verwaltungen, im
Einvernehmen mit dem zuständigen Ausschuss, aus einem Pool von Menschen/Experten
mit einer der Bauaufgabe entsprechenden Qualifikationen. Die Mitglieder der
Gestaltungsbeiräte dürfen in dieser Region nicht selbst als Auftragnehmer
planerisch tätig sein oder innerhalb eines bestimmten Zeitraumes werden, dies
gewährleistet ihre Unabhängigkeit. Städten, die Beiräte mit der genannten
Zielstellung, aber in anderer personeller Zusammensetzung und/oder mit anderem
Procedere bereits installiert haben, steht die Möglichkeit offen, bei ihrer
Verfahrensweise zu bleiben oder die externen Gestaltungsbeiräte zu berufen.
Die im Zuge des Beratungsverfahren dokumentierten Ergebnisse sind den
zuständigen kommunalen Gremien vorzustellen. Durch diese zusätzliche und
unabhängige fachliche Beratung unter Beteiligung der Öffentlichkeit wird die
Entscheidungsfindung in den Ausschüssen, Stadtverordnetenversammlungen und
Gemeindevertretungen versachlicht, bereichert und letztendlich gestärkt.
Begründung
Auf dem LPR 2015 in Potsdam wurde ein umfangreicher Grundsatzbeschluss zur Baukultur im Land Brandenburg gefasst. Das Thema der Gestaltungsbeiräte wurde auf der bündnisgrünen Sommerkonferenz 2015 in einem sehr gut besuchten und aktiven Workshop von erfahrenen Gestaltungsbeirät*innen vorgestellt und diskutiert. Der vorliegende Antrag ist Ergebnis dieses auch in der LAG Baukultur fortgeführten Diskussionsprozesses. Die Stärkung von Ortsidentität und Denkmalpflege, die Förderung fachlicher Qualität sowie eine nachhaltige Entwicklung durch gute Baukultur und eine echte Öffentlichkeitsbeteiligung waren dabei die Kernanliegen.
Der vorliegende Antrag zur Einrichtung von Gestaltungsbeiräten ist eine wichtige Konkretisierung, die den baukulturellen Diskurs stärker als bisher in den Landkreisen, in den Städten und Dörfern verankern soll. Es ist ein Schritt, die Individualität brandenburgischer Dörfer, Städte und Gemeinden zu erhalten. Dies eröffnet über die Arbeit in Bürgergruppen oder Gemeindevertretungen hinaus die Chance, die in der Fachwelt bereits verankerten Prinzipien einer nachhaltigen und klimaschonenden Entwicklung zu nutzen und in die Öffentlichkeit zu tragen.
Ein Eingriff in die Planungshoheit der Kommunen, die Kompetenzen der Ausschüsse oder die Rechte und Pflichten der Bauaufsicht findet nicht statt.
Diese baukulturelle Aufgabe kann und muss vom Land in geeigneter Weise unterstützt werden, will es seinen Zielen in Bezug auf Bewahrung und Weiterentwicklung der brandenburgischen Natur- und Kulturlandschaften gerecht werden und seine Nachhaltigkeits- und Klimaziele ernsthaft verfolgen.
Für die mobilen Gestaltungsbeiräte bietet sich folgende regionale Gliederung an:
Region Nordost, bestehend aus den LandkreisenOder-Spree, Märkisch-Oderland, Barnim und Uckermark
Region Nordwest, bestehend aus den LandkreisenOberhavel, Ostprignitz-Ruppin und Prignitz
Region West, bestehend aus den LandkreisenHavelland, Potsdam-Mittelmark und Teltow-Fläming
Region Süd, bestehend aus den LandkreisenDahme-Spreewald, Elbe-Elster, Oberspreewald Lausitz und Spree-Neiße
Die kreisfreien Städte sollen über eigene Gestaltungsbeiräte verfügen.
In Stralsund, in Potsdam, in Regensburg und in vielen anderen Städten arbeiten diese Gestaltungsbeiräte schon seit Jahren mit grossem Erfolg und breiter Anerkennung. In Baden-Würtemberg wurde jetzt ein mobiler Gestaltungsbeirat eingerichtet, der auch kleineren Kommunen zur Verfügung steht. In Mecklenburg-Vorpommern gibt es vergleichbare Bestebungen. Im Jahr 2014 waren in ganz Deutschland 98 Gestaltungs-beiräte tätig. Wir wollen auch in Brandenburg derartige Beiräte für eine bessere Baukultur nicht nur in den Städten, sondern auch in den Dörfern der ländlichen Räume.
Die Bauministerkonferenz der Länder befasst sich derzeit mit diesem Thema, ebenso die Bundesstiftung Baukultur, die derzeit den Baukulturbericht 2016/17 mit dem Fokus Ländliche Räume für die Bundesregierung erarbeitet.
Die Wirtschaftlichkeit und der grosse gesellschaftliche Nutzen der Gestaltungsbeiräte hat sich durch zahlreiche positive Erfahrungen bei Pilotprojekten in Brandenburg (z.B. Neuruppin, Wusterhausen [Dosse]) und anderen Städten gezeigt.
Denn wie sagte schon Friedensreich Hundertwasser:
"Die scheinbaren Mehrkosten eines ökologisch gesunden Hauses oder eines menschlichen Hauses sind gar keine. Denn sie werden durch eine höhere Lebensqualität, durch eine höhere Wohnqualität und durch Glücklichsein amortisiert."
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