Veranstaltung: | 37. ORDENTLICHE LANDESDELEGIERTENKONFERENZ BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN BRANDENBURG, 16.04.2016, Wittenberge |
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Tagesordnungspunkt: | 2. Anträge |
Antragsteller*in: | Landesvorstand |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 18.03.2016, 09:16 |
V1: Grüne Forderungen zum Leitbild der Verwaltungsstrukturreform - Dienstleistungen sicherstellen – Demokratie ausweiten – Finanzen nachhaltig aufstellen
Antragstext
Bündnis 90/Die Grünen Brandenburg begleitet die geplante
Verwaltungsstrukturreform kritisch-konstruktiv. Wir erkennen an, dass das
Leitbild der Landesregierung einige unserer Forderungen widerspiegelt. Darüber
hinaus bestehen weitere unerfüllte Forderungen, die einer Zustimmung bisher im
Wege stehen:
1. Kommunalisierungstabus
Gegen eine Kommunalisierung des Naturschutzes werden wir mit allen uns zur
Verfügung stehenden Mitteln kämpfen. Die Vorteile eine Kommunalisierung von
Denkmalpflege, Schulpsychologie sowie der Aufsicht Kinder- und Jugendhilfe sind
für uns bisher auch nicht erkennbar.
2. Dienstleistungscharakter der Verwaltung verbessern
Die Gemeinden müssen für den Großteil der öffentlichen Aufgaben zum Eingangstor
für Bürgerinnen und Bürger werden. Formulare und Anträge an die Kreisverwaltung
müssen auch dort angenommen werden. Durch verstärkte Nutzung von E-Government
und die Einrichtung von Front/Back-Office-Strukturen wollen wir kommunale
Selbstverwaltung stärken. Mobile Stadtverwaltungen bzw. rollende Amtsbusse wie
von der Stadt Wittstock, bei dem die Stadtverwaltung zu den BürgerInnen kommt
statt umgekehrt, müssen ausgebaut werden. Das ist auch eine soziale Frage, denn
gerade die Schwächsten in unserer Gesellschaft, die auf Unterstützung angewiesen
sind, müssen häufig in die Ämter.
3. Deutliche Verbesserung der demokratischen Teilhabe auf lokaler Ebene
Wenn Gebietskörperschaften vergrößert werden, steigt damit der Abstand zwischen
Abgeordneten und Bürger*innen. Das muss zum Anlass genommen werden die lokalen
demokratischen Beteiligungsrechte zu verbessern. Dazu zählen für uns die
Reduzierung ausgeschlossener Themen für Bürgerbegehren, die Zulässigkeitsprüfung
durch die Kommunalaufsicht, Kostenbenennung statt Kostendeckungsvorschlag, die
Abschaffung von Sonderregeln für Begehren gegen Ratsbeschlüsse und die Senkung
respektive Abschaffung von Einleitungs- und Zustimmungsquoren. Begehren sollten
auch auf Stadt- und Ortsteilebene möglich sein.
4. Landratswahlverfahren erneuern
Wir wollen die Amtsdauer von Landrät*innen und Kreistagen zusammenlegen und das
derzeitige Wahlverfahren durch die integrierte Stichwahl ersetzen. Das Quorum
wäre dann überflüssig.
5.Verschuldung nachhaltig angehen
Für die benötigten Finanzmittel für die vorgeschlagene Entschuldung darf nicht
die kommunale Verbundmasse herangezogen werden. Hier ist das Land in der
Pflicht. Darüber hinaus erwarten wir Maßnahmen, mit denen eine ausufernde
Verschuldung - insbesondere mit Kassenkrediten - in der Zukunft frühzeitig
erschwert wird. Unser Vorschläge eines Frühwarnsystems, eines Programms für
Sparbürgerhaushalte und Werkzeugen für die Haushaltsaufsicht liegen auf dem
Tisch.
6. Oberzentrumsfunktion finanziell absichern
Bisher kreisfreie Städte, die eingekreist werden, benötigen für den Erhalt ihrer
Funktion als Oberzentren einen Mehrbelastungsausgleich analog zu denen für
Mittelzentren. Die Leistungen dieser Städte, insbesondere im Bereich Kultur und
ÖPNV, wirken auch ins Umland und müssen gesichert werden. Die angedeuteten
temporären Standardanpassungszuschüsse gehen zwar in die richtige Richtung,
stellen aus unserer Sicht aber keine nachhaltige Lösung dar.
7. Senkung der Mindesteinwohnerzahl und Flächengrößen
Die Mindesteinwohner*innenzahl von 175.000 und die Maximalgröße von 5.000 km²
für Landkreise sind aus unserer Sicht für Brandenburg immer noch immer zu hoch
gegriffen. Wir sprechen uns weiterhin für mindestens 150.000 EW und sogar nur
120.000 EW in dünn besiedelten Regionen aus. Eine bereits diskutierte
Zusammenlegung der Landkreise Prignitz und Ostprignitz-Ruppin (4.665 km²) wäre
flächenmäßig für uns die absolute Obergrenze.
8. Einordnung des Sektoralkreisprinzips
Das Sektoralkreisprinzip, nach dem Landkreise sowohl einen Teil des
prosperierenden berlinnahen Raums, als auch strukturschwächere Gebiete umfassen
sollen, ist gut und richtig. Allerdings ist das nur ein Ziel unter vielen. Eine
Verbindung der Prignitz oder der Lausitzer Kreise mit dem berlinnahen Raum
halten wir für eine Überstrapazierung des Sektoralkreisprinzips und lehnen wir
ab.
9. Einkreisungen und Kreissitze nachvollziehbar begründen
Für mögliche Einkreisungen von kreisfreien Städten muss die Landesregierung sich
ehrlich machen und diese anhand von Aufgabenumfang und Finanzstrukturen
begründen. Eine reine Orientierung an Mindesteinwohnerzahlen, für die dann auch
noch die gleichen wie für die Landkreise gelten sollen, ist nicht stichhaltig.
Über die zukünftigen Kreissitze sollte der Landtag entscheiden, um Regionen
nicht gegeneinander auszuspielen und Kreissitze in strukturschwachen Regionen zu
ermöglichen.
Uns ist bewusst, dass es am Ende um ein Gesamtpaket gehen wird. Kern der Reform
muss es sein, durch eine Steigerung von Effektivität und Effizienz von
Verwaltungseinheiten finanzielle Vorteile zu erzielen, die den Kommunen die
Bewältigung der anstehenden Herausforderungen ermöglicht. Reformbedingte
betriebsbedingte Kündigungen lehnen wir dabei ab. Unsere abschließende Haltung
hängt von den funktionalen, demokratischen und finanziellen Auswirkungen
besonders auf den von den Bürgern wahrnehmbaren Dienstleistungscharakter der
Verwaltungseinheiten ab.
Begründung
Die Enquetekommission zur Zukunft der Verwaltungsstrukturen hat die vielfältigen Heraus-forderungen, vor denen Brandenburg in diesem Bereich steht, deutlich gemacht. Bündnis 90/Die Grünen Brandenburg verschließt sich notwendigen Veränderungen nicht, wie es andere inzwischen opportunistisch tun, sondern hat viele eigene Vorschläge eingebracht. Das bedeutet im Umkehr-schluss aber nicht, dass wir das Leitbild und den vorgeschlagenen Weg der Landesregierung bedingungslos gutheißen.
Wir nehmen zwar zur Kenntnis, dass sich die Landesregierung inzwischen auf uns zu bewegt hat. Von den Extremen, fünf Regionalkreise zu bilden oder die Landkreise sogar komplett abzuschaffen, ist keine Rede mehr. Bei der Weiterentwicklung der Ämter zu Amtsgemeinden herrscht inzwischen weitgehende Einigkeit vor. Darüber hinaus erkennen wir die Bekenntnisse sowohl zum Konnexitäts-prinzip als auch zur Übertragung von Aufgaben als Selbstverwaltungsaufgaben an. Wir nehmen ebenfalls das Bekenntnis zur Übernahme der reformbedingten Einmal-Kosten wahr. Diese Bekennt-nisse müssen allerdings auch im weiteren Reformprozess bindend festgelegt bzw. mit konkreten Zahlen unterlegt werden, um nicht als Blendlichter zu enden.
Die aufgezählten Forderungen sind die, die wir weiter öffentlich thematisieren müssen. Es muss klar sein, dass mit Bündnis 90/Die Grünen eine Zerschlagung des Naturschutzes nicht zu machen ist. Auch bei der Ausweitung der demokratischen Teilhabe, der nachhaltigen Finanzierung der neuen Strukturen und dem Dienstleistungscharakter sehen wir noch etlichen Handlungsbedarf.
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